Review: Trope – Eleutheromania (USA/Kanada, 2021)

Ob man es nun gut findet oder nicht: Wir leben in Zeiten, in denen Musik nur einen Mausklick entfernt ist und auf den Streamingplattformen – ohrgerecht – in Häppchen serviert wird. Playlists sind die neuen Alben. Neben dem Gesamtwerk der Musiker verliert auch die Cover-Art immer mehr an Bedeutung. Warum auch hoch bezahlte Agenturen engagieren, wenn das aufwändige Kunstwerk bei Spotify und Co. ohnehin auf Thumbnail-Größe zurechtgestutzt wird?

Insofern ist das Debüt-Album von Trope eine überraschende Ausnahme von der Regel. Ein Blick genügte, und die US-Band hatte mich an ihrer Leine. Die Illustration zeigt geflügelte Schweine, die, wie an einer Kette aufgezogen, über mehreren großen Gebäuden in den Himmel davonfliegen. Fliegende Schweine? Da war doch mal was…

Bei jedem anspruchsvollen Musik-Fan muss es bei der Assoziation eigentlich klingeln. Natürlich: “Animals” von Pink Floyd. Dann noch ein erster Blick auf die Tracklist: Song #1 hat den Titel “Lambs” – passt doch perfekt zum rauen Floyd-Werk aus dem Jahr 1977, das lose auf George Orwells politischer Fabel „Animal Farm“ basiert.

Diana Studenberg liefert starke Performance

Also direkt mit einer gewissen Erwartungshaltung den Play-Button meines Apple-Music-Accounts angeklickt, doch da folgte die nächste Überraschung: das schleppende Bassriff, das mich sofort an eine andere Prog-Rock-Institution erinnerte. “Das sind doch Tool, unter anderem Namen”, kam es mir in den Sinn. Bis ich anstelle von Maynard James Keenans Gesang plötzlich eine ungemein kraftvolle Frauenstimme zu hören bekam. Zwischen der Intonation von Diana Studenberg und Maynard liegen natürlich Welten, aber in Sachen Charisma steht die aus Montreal stammende Kanadierin mit deutschen Wurzeln ihm in nichts nach. Und ganz ehrlich: Beim Stimmumfang singt Studenberg den Tool-Exzentriker locker an die Wand.

“Lambs” lehnt sich von Aufbau und Arrangement her zwar an die letzten drei Werke der Prog-Götter an. Die Inspiration wird aber niemals zur Imitation. Am Ende der knapp fünf Minuten emanzipiert sich man komplett vom Vorbild. Gitarrist Moonhead, der das Debüt auch produziert hat, lässt es ordentlich krachen. Diese Gruppe kann rocken, daran besteht schon beim Auftaktstück kein Zweifel.

Bekannte Namen an Debüt beteiligt

Neben der druckvollen Produktion ist auch der Album-Mix hervorragend gelungen. Kein Wunder, hatte Trope doch mit David Bottrill einen der bekanntesten seiner Zunft an den Reglern, der schon den Werken von Peter Gabriel und – natürlich – Tool den letzten Feinschliff gegeben hat. Dazu gesellten sich mit Mike Fraser (AC/DC, Metallica) und Ted Jensen (Dave Matthews Band, Pantera) beim Engineering bzw. Mastering zwei weitere große Namen der Szene hinzu.

Wer gleich zum Start seiner Karriere – Trope wurden 2016 gegründet und haben die ersten Jahre mit Songwriting und Demo-Aufnahmen verbracht – derartig prominente Unterstützung hat, der kann sich glücklich schätzen. Aber Trope werden den Vorschusslorbeeren vollauf gerecht und hauen einen genialen Song nach dem anderen raus.

Dabei geht die Band trotzdem nicht den einfachen Weg in Richtung Hitparade, sondern schlägt zwischendurch so manchen Haken. Schon der Opener hat einige krumme Takte zu bieten, wenn man genau hinhört. “Surrogate” setzt noch einen darauf und liefert in nur dreieinhalb Minuten Polyrhythmik vom Feinsten, ohne gleich in Selbstverliebtheit à la Dream Theater abzudriften. Auch in der Single-Auskopplung “Pareidolia” sitzt jede Note perfekt. Komplexität und Charttauglichkeit müssen sich nicht ausschließen, die fünf Musiker aus Übersee beweisen das eindrucksvoll.

Trope - Pareidolia (Official Video)

Ein kleines Zugeständnis an den Musikmarkt machen Trope dann aber doch. Die Tears-For-Fears-Coverversion “Shout” hat dennoch genug Eigenständigkeit, das sie unter so vielen genialen Liedern nicht negativ auffällt. Auch hier brezeln die Gitarren wieder ordentlich.

Den Abschluss bildet “Seasons Change”, das mit seinen melancholischen Lyrics und einer wundervollen Gitarrenmelodie vielleicht schon ein neues Kapitel der Trope-Geschichte aufschlägt. Nach 37 Minuten, von denen jede einzelne mich begeistert hat, ist das Album leider zu Ende – und ich klicke unweigerlich auf den Repeat-Button bei Apple Music.

Trope wollen auch in Europa spielen

Man darf gespannt sein, wie die junge, hungrige Band ihre unbändige Power auf die Bühne bringt. Diana Studenberg hat mir auf Instagram bereits verraten, dass die Fünf – neben ihr und Moonhead noch Joe Cicchia (Gitarre), Todd Demma (Bass) sowie Sasha Siegel (Schlagzeug) – schon Pläne für eine Europa-Tour schmieden, die sie auch nach Deutschland führen soll.

Das letzte Mal sind Trope bei uns am 21. August 2020 in Düsseldorf als Support von King’s X aufgetreten. Dann machte die zweite Corona-Welle weitere Gigs hierzulande unmöglich. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ein erneuter Support-Slot bei einer bekannten Gruppe könnte die sympathischen Musiker aus Übersee beim nächsten Besuch richtig groß machen.

“Female fronted” bands sind richtig angesagt

Das Potenzial dazu haben Trope allemal, wie ihr Debüt eindrucksvoll beweist. Und außerdem sind “Female fronted” Bands in der europäischen Prog- und Metalszene momentan angesagt, zum Beispiel Golden Caves (Niederlande), Jinjer (Ukraine), Lacuna Coil (Italien) oder Arch Enemy (Schweden).

Fazit: “Eleutheromania” ist ein überragendes Debüt und wird in meiner Top-10-Liste für 2021 zweifelsohne einen Spitzenplatz belegen. Dass ich trotzdem nicht die höchste Punktzahl vergebe, soll ein kleiner Ansporn für die Band sein. Man arbeite bereits an neuem Material, ließ sie verlauten, und diesmal soll es sich um noch komplexere und längere Stücke handeln. Es ist also noch mehr Potenzial vorhanden – ich bin gespannt!

Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️ (10 von 12 Punkten)

Album: Trope – Eleutheromania (2021)
Laufzeit: 37:22 Min.
Label: Beats Mee Records
Format: Digital oder CD (u.a. als signierte Version auf der Band-Webseite)

Trackliste:

  1. Lambs 4:42
  2. Plateau 3:55
  3. Breach 3:40
  4. Shout 3:54
  5. Surrogate 3:29
  6. Hyperextend 3:36
  7. Pareidolia 3:11
  8. Planes 3:43
  9. Privateer 3:05
  10. Seasons Change 4:06

Trope im Internet:
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Oliver
Oliver

Ich wurde 1971 geboren – dem Jahr von #4 von Led Zeppelin, Blue von Joni Mitchell, Meddle von Pink Floyd und Master Of Reality von Black Sabbath. Und so unterschiedlich die Stile dieser klassischen Alben sind, so unterschiedlich ist auch mein Musikgeschmack. Hier gibt es mehr Infos über mich

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