Montreal, Los Angeles, Toronto – und aktuell gerade Sofia. Keine Frage: Diana Studenberg ist viel unterwegs. Was wiederum kaum verwunderlich ist. Denn Weltbürgertum wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. Ihr Vater hat deutsche, belgische und polnische Wurzeln und ist in Montevideo / Uruguay aufgewachsen. Ihre Mutter ist spanisch-marokkanischer Abstammung. Sie kommt aus Montreal, lebt heute in Ontario – und pendelt auch beruflich zwischen zwei Welten: Musik und Schauspiel.
Ich hatte also großes Glück, die Sängerin für ein Interview in Bulgarien zu erwischen – nicht persönlich, aber zumindest per Videochat. Dort arbeitet sie derzeit intensiv an ihrer musikalischen Karriere in der Alternative-Prog-Band Trope, die mit ihrem Debüt Eleutheromania bereits für einiges Aufsehen in der Rockszene gesorgt hat – nicht nur in Kanada und den USA, sondern auch in Europa. Vor allem im Osten unseres Kontinents hat sich Trope nach vergangenen Tourneen durch Rumänien und Bulgarien bereits einen beachtlichen Ruf erarbeitet. Seit Mitte Juli hält sich die Band wieder in der bulgarischen Hauptstadt Sofia auf.
Warum bist Du gerade in Bulgarien?
Wir haben eine Show beim „Rebel Rebel“-Festival gespielt, das Projector Plus organisiert hat, eine hiesige Booking-Agentur. Und es war großartig. Es war so schön, wieder spielen zu können.
Sind während Eures Aufenthalts weitere Shows geplant?
Ja, wir haben schon einige Shows im August geplant, vielleicht ergeben sich noch weitere in Bulgarien. Und dann überlegen wir uns die nächsten Schritte. Wir haben einige mögliche Touren in Arbeit.
Sind alle fünf Bandmitglieder nach Bulgarien gereist?
Nein, nur Moonhead, unser Gitarrist, und ich. Reisen ist im Moment bekanntlich etwas schwierig. Wir hoffen auf jeden Fall, dass bei den nächsten Touren dann alle mit dabei sind.
Ich wusste erst auch nicht, was das Wort bedeutet.
D.S. über den seltsamen Titel von Tropes Debütalbum
Euer Debütalbum heißt Eleutheromania. Das bedeutet „Intensives Verlangen nach Freiheit“. Was ist die Geschichte zu diesem Titel?
Moonhead hat den Titel ausgewählt. Ich wusste erst auch nicht, was das Wort bedeutet. Ich dachte nur: Was?
Ich denke, es passt einfach gut zu allen Songs und den Texten. Es ist ein wiederkehrendes Thema. Was bedeutet Freiheit? Ich denke, es kann vieles bedeuten. Für mich ist ein großer Teil von Freiheit Bewusstsein, auch Selbstbewusstsein. Ich denke, so etwas ermöglicht dir, an einen Ort zu kommen, an dem du mit dir im Reinen bist. Viele unserer Songs setzen sich mit Freiheit auseinander.
Hat der Albumtitel etwas mit der Pandemie und dem täglichen Druck für uns alle zu tun?
Nein, weil er schon vorher feststand. Aber vielleicht war er eine Vorahnung der Dinge, die kommen würden.
In der Welt, in der wir leben, habe ich die verschiedensten Käfige gesehen, die die Leute um sich herum gebaut haben – ich auch. Wir tun es nicht absichtlich, sondern indem wir auf Dinge hören, die wir tun oder nicht tun können oder wer wir sein oder nicht sein sollten. Und plötzlich setzen sich Mauern in unseren Gedanken fest und bleiben einfach dort. Das Album war eine Art Erkundungsreise, basierend auf persönlichen Erfahrungen. Wie schaffst du dir persönlich wieder ein bisschen mehr Freiraum?
Ist das Albumcover mit den geflügelten Schweinen eine Anspielung auf Pink Floyds Album „Animals“ von 1977?
Animation Designer Kris Pearn hat es entworfen. Er hatte das Cover von Pink Floyd vorher nicht gesehen. Es war seine Idee, dass die Schweine vom Schlachthof weg in die Freiheit fliegen. Und je näher sie der Kamera kommen, desto klarer und definierter werden sie. Je weiter sie sich also von der Versklavung entfernen, desto mehr rücken sie in den Fokus.
Wir lieben Storm Thorgerson, der viele Cover für Pink Floyd entworfen hat.
D.S. über das Albumcover, das Erinnerungen an “Animals” von PF weckt
Wir hatten ihm einige visuelle Referenzen geschickt, nachdem er auf diese Idee gekommen war. Wir lieben Storm Thorgerson, der viele Cover für Pink Floyd entworfen hat. Und einige für Dream Theater auch. Er ist einfach unglaublich. Wir haben uns von ihm, aber auch anderen Künstlern inspirieren lassen.
Gleich zu Beginn des ersten Songs „Lambs“ kommt das schleppende Bass-Riff von Tool. Hat Euch die Band inspiriert?
Wir lieben Tool. Einige ihrer Songs sind Meisterwerke, und die Band ist unglaublich. Aber wir haben bei den Aufnahmen gar nicht so viel Tool gehört – Moonhead noch weniger als ich. Er kennt sogar nur ein paar ihrer Lieder, die im Radio gespielt werden. Für ihn ist dieser Musikstil jedoch sehr natürlich und fließt aus ihm heraus. Bestimmte Dinge, die du vor 10, 15 Jahren gehört hast, setzen sich vielleicht einfach in deiner Psyche fest und irgendwann lässt du dich dann davon inspirieren. Aber Moonhead sagt nicht: „Okay, ich höre mir jetzt Tool an und schreibe dann ein Riff…“ Das hat er nie getan.
Und wenn ich Melodien schreibe, sage ich nicht: „Ich frage mich, was Maynard machen würde.“ Ich bewundere, was sie tun, sie sind unglaublich. Aber wir versuchen tatsächlich, nur das zu machen, was wir lieben und uns inspiriert und von einem Ort in unserem tiefsten Innern kommt.
Ihr habt Euch dafür entschieden, „Shout“ von Tears For Fears zu covern. Hat die Gruppe einen großen Einfluss auf Deine Musik?
Der größte Einfluss für mich sind ihre Texte. Natürlich sind sie musikalisch auch unglaubliche Songwriter. Moonhead hatte dieses Lied schon eine Weile im Kopf. Er arbeitete an einigen Remixen, aber zuerst wussten wir nicht, dass wir es für Trope verwenden würden. Als wir mit der Arbeit begannen und die Sounds sich von elektronisch über organisch hin zu rockig entwickelten, ging es plötzlich in eine Richtung, wo wir bemerkten: „Moment mal. Das könnte durchaus funktionieren.“
Und das war toll, weil ich dieses Lied wirklich liebe. Ich liebe das, wofür es steht – wie man dem Text zuhört und ihn einfach so interpretiert, wie man es gerade für richtig hält. Die Art, wie sie schreiben, ist so inspirierend.
Trope – Eleutheromania
“… ist ein überragendes Debüt und wird in meiner Top-10-Liste für 2021 zweifelsohne einen Spitzenplatz belegen.”
Welche anderen Bands oder Musiker magst Du? Irgendwo war auch von Dream Theater die Rede…
Ich war ein eingefleischter Dream-Theater-Fan, als ich jung war, in meiner Teenagerzeit. Ich habe sie schon länger nicht mehr gehört, aber irgendwann gehe vielleicht wieder zu einem ihrer Konzerte.
Als wir an dem Album arbeiteten, wechselte ich ständig zwischen Jeff Buckley und Nina Simone. Ich habe immer und immer wieder nur deren Musik gehört.
Aber ich liebe auch viele andere Bands. Ich bin ein großer Pearl Jam-Fan. Ich mag Soundgarden, Radiohead. Moonhead ist ein großer Fan von Peter Gabriel.
Am Debüt habt ihr mit den Studiolegenden Mike Fraser, David Bottrill und Ted Jensen gearbeitet. Wie kam es dazu?
Mike haben wir eine E-Mail geschickt. Zu dieser Zeit produzierte Moonhead alle Demos. Wir haben das Zeug an Mike geschickt. Dann hatten wir ein Treffen mit ihm, er hat sich die Songs angehört und es hat ihm sehr gut gefallen. Es gefiel ihm, dass er zunächst nicht wusste, wohin sich die Musik entwickeln würde. Normalerweise hört er sich Sachen nicht von Anfang bis Ende an. Aber bei uns war das der Fall, und das war echt cool. Er schien die Musik wirklich zu mögen. Es ist etwas anderes als das, an dem er normalerweise arbeitet – das ist mehr der klassische Rock. Seine Liebe zum Detail und die Art und Weise, wie er Frequenzen hört, ist unfassbar.
Wir schickten ihm eine E-Mail und sagten: ‘Willst du das Ding mischen? Hier sind die Lieder.’
D.S. über den Beginn der Zusammenarbeit mit Mix-Legende David Bottrill
Das Gleiche passierte mit Bottrill: Wir schickten ihm eine E-Mail und sagten: „Willst du das Ding mischen? Hier sind die Lieder.“ Er stand uns auch beratend zur Seite. Wir haben ihm vorher die Demos geschickt und gefragt: „Hast du Vorschläge oder Ideen für Arrangements?“
Dann hat Ted Jensen das Album gemastert. Und dabei lief es sehr ähnlich. Wir schickten ihm eine E-Mail und sagten: „Wir haben diese Jungs an Bord: Er hat es gemischt, er hat es produziert. Willst du es mastern?“ So kam das Team zusammen, indem wir ihnen einfach alles zugeschickt haben.
Wie ist der Stand in Sachen zweites Album? Wird es anders sein als das Debüt?
Wir wollen das zweite Album progressiver machen und Dinge ausprobieren – vielleicht mehr Backing Vocals oder ein paar ruhigere, sanftere Momente. Ich spreche verschiedene Sprachen und bin mit aramäischer Musik aufgewachsen. Meine Mutter hat arabische Musik gespielt, als ich klein war. Das ist so ein Mischmasch verschiedener Inspirationen, von denen wir einige mit einbeziehen möchten.
Lass uns über Dein anderes Projekt sprechen: Divine Astronaut. Das ist ja mehr elektronischer Natur.
Wir verarbeiten bei diesem Projekt die verschiedensten Einflüsse. Es war eine Gelegenheit für uns, etwas völlig anderes zu machen. Die Arbeit bei Trope ist sehr durchstrukturiert und man braucht eine Million Versuche, um etwas in Gang zu bringen. Dagegen ist Divine Astronaut eine Art kreatives Ventil, in dem wir verschiedene Ideen und Vibes erkunden können. Es ist schon sehr experimentierfreudig und ich freue mich darauf, für die nächsten Songs oder das nächste Album noch experimentierfreudiger zu werden.
Du hast auch eine zweite Karriere als Schauspielerin. Kannst Du etwas davon berichten?
Derzeit spiele ich vor und habe eine Schauspielvertretung in Vancouver. Ich liebe es, es ist eine große Leidenschaft von mir – Performance im Allgemeinen, egal ob es sich um Musik oder Schauspielerei handelt. Es gibt Dir das Gefühl, völlig “im Moment” aufzugehen. Alles wird einfach weggespült. Alles, was man tut, ist, sich auf das zu konzentrieren, was sich vor einem abspielt. Die Angst und all das Zeug, das in deinem Kopf ist – es hilft mir wirklich, das alles zu vertreiben.
Musik ist in gewisser Weise wie ein Baby.
D.S. über eine der zwei großen Leidenschaften in ihrem beruflichen Leben
Und was ist Dir wichtiger? Schauspiel oder Gesang?
Es sind völlig unterschiedliche Dinge. Musik ist in gewisser Weise wie ein Baby. Nur du bringst es zur Welt. Für deine Schauspielerei wirst du vielleicht auch mal selbst ein Drehbuch schreiben, aber höchstwahrscheinlich eher nicht. Stattdessen interpretierst du die Worte, die jemand anderer für dich geschrieben hat. Ich versuche, diese zwar immer mit einer persönlichen Note zu versehen, aber es bleibt immer noch etwas völlig anderes.
Gibt es Pläne für eine Trope-Tour in Deutschland?
Nach der Veröffentlichung des Albums haben wir festgestellt, dass es ein recht großes Publikum in Deutschland erreicht. Die Leute haben die Musik sehr positiv angenommen und darauf reagiert. Daher wollen wir unbedingt dort touren. Es wäre wirklich toll.
Euer nächstes Video „Planes“ wird in Kürze veröffentlicht. Wie lief das Shooting?
Das erste von drei Shootings war super. Wir haben einen kleinen Teil des Filmmaterials vorab veröffentlicht. Das zweite Shooting findet in Los Angeles statt. Unser Bassist dreht seine Szenen. Und das dritte wird hier in Bulgarien stattfinden. Wo Moonhead, unser Gitarrist, seine Aufnahmen dreht. Und dann wird alles zusammengeschnitten.
Eine letzte Frage: Wie lange werdet Ihr noch in Bulgarien bleiben?
Wir wollten ursprünglich sogar mehrere Monate hier sein. Aber ich denke, wahrscheinlich werden wir bis Ende August bleiben.
Ein großes „Dankeschön“ an Diana Studenberg für das tolle Gespräch. Ich hoffe, sie und die ganze Band bald bei einem Gig zu treffen!
Hier könnt ihr das vollständige Interview mit Diana sehen: