Review: “Strength” von Unto Others – ein verdammt starkes Stück Gothic-Metal (USA, 2021)

Selten hat ein Albumtitel besser gepasst. “Strength” nennen Unto Others ihr zweites Werk – und es ist genau das: verdammt stark!

Die Band aus Portland, Oregon, setzt gleich mit dem ersten Stück ein dickes Ausrufezeichen: In “Heroin” sind die Riffs härter, der Text düsterer, der Gesang heftiger denn je. Gabriel Franco, der beim Debüt noch durch sein berühmt-berüchtigtes Wolfsgeheul auffiel, lässt sogar den einen oder anderen Growl vom Stapel, das in diabolisches Gelächter übergeht.

Jetzt wird auch klar, warum Unto Others – die ich bisher eher als Gothic-Rock- denn Metal-Act angesehen hatte – im Herbst mit den Death-Metallern von Arch Enemy, Carcass und Behemoth auf “European Siege”-Tour gehen wollten. Die wurde wegen der Pandemie zwar auf 2022 verschoben, aber angesichts des Härtegrades des ersten Songs macht die Kombination durchaus Sinn.

Tief in den 1980er Jahren verwurzelt – aber trotzdem modern

“Downtown” ist dann aber schon wieder klassischer Unto-Other-Stoff. Eine Mid-Tempo-Hymne, von der vor allem der wunderbare Refrain lange im Kopf bleibt. “Walking around when I’m down, when I’m down, when I’m downtown..” – schöner kann man das Gefühl von Einsamkeit in unserer modernen Zeit kaum ausdrücken.

Ohnehin schaffen es Unto Others immer wieder, mit altbekannten Mitteln ganz viele Emotionen zu wecken. Die Band ist mit ihrem Stil (wie den mehrstimmigen, flirrenden Gitarren), ihrem Outfit (von wallender Lockenpracht über Lederjacken bis zu riesigen Sonnenbrillen) und dem pathetischen (aber brillanten) Gesang von Gabriel Franco so tief in den 1980er Jahren verwurzelt, dass man sie fast für eine Parodie dieser Epoche halten könnte.

Aber die fünf meinen es absolut ernst. Und seltsamerweise ist ihre Musik – bei aller Rückgewandtheit – auch gleichzeitig modern und innovativ. Ob es an den ausgefeilten Arrangements liegt, die zum Beispiel auch “When Will Gods Work Be Done” aus der schnöden Metal-Masse heraushebt? So ganz bin ich dem Phänomen Unto Other auch bei deren zweiter Kreation noch nicht auf die Spur gekommen. Jedenfalls erzeugen ihre Songs bei mir eine permanente Gänsehaut – was in diesem Fall ein untrügliches Zeichen ist, dass sie mir ausgesprochen gut gefallen.

Unto Others - When Will Gods Work Be Done (Official Video)

Unto Others: Düsterrock in Perfektion

Auch “No Children Laughing Now” ist so ein Emotions-Wunder – sowohl musikalisch als auch auch textlich. “I don’t care about anyone, cause no one cares about me” – das ist Düsterrock in Perfektion. Und die Band bringt in den Lyrics sogar – leicht augenzwinkernd – noch ihren neuen Namen unter.

Als das hervorragende Debüt “Mana” herauskam, das 2019 in meinen Jahrescharts verdientermaßen Platz 2 belegte, hieß sie noch Idle Hands. Als sich jedoch Rechtsstreitigkeiten mit einer anderen Formation gleichen Namens andeuteten, wechselte man zu Unto Others.Der unglaublichen Naturgewalt der Band hat diese Änderungen keinen Abbruch getan. Auch “Destiny” lebt von einer unbändigen Energie. Die Riffs, der Refrain und der düstere Text bleiben noch lange in Erinnerung.

Nach diesen überragenden ersten fünf Power-Songs schaltet die Band mit “Little Bird” einen Gang zurück. Leider ist die Quasi-Ballade das erste Stück, was mich nicht ganz überzeugen kann. Schade ist auch, dass es mit einem Fade-out etwas lieblos endet. Aber wer weiß: Vielleicht ist das ja auch eine ironische Anspielung auf die Achtziger, wo sich dieses Stilmittel bei den Produzenten unseliger Beliebtheit erfreute. Auch das folgende “Why” fällt für Unto-Others-Verhältnisse eher durchschnittlich aus — was allerdings immer noch deutlich besser als die meisten Metal-Veröffentlichungen ist.

Überragende fünf Songs zum Abschluss

Doch nach diesem kleinen Durchhänger dreht die Band nochmal richtig auf und legt bis zum Ende des Albums mit weiteren fünf überragende Songs nach. Besonders erwähnenswert: “Hell Is For Children”. Der seltsame Titel erklärt sich schnell, wenn man einen genaueren Blick auf die Lyrics wirft. Hier geht es um Kindesmissbrauch und -misshandlung. Das wird musikalisch und gesanglich so eindrucksvoll dargestellt, dass einem der Schauer kalt den Rücken herunterläuft. Wie ich schon vorher sagte: Die Band meint es absolut ernst, und nähert sich diesem schwierigem Thema auf absolut angemessene Weise.

Unto Others aus Portland: Lange Haare, Lederjacken und Sonnenbrillen wie in den 1980ern. © Instagram-Profil untootherspdx

“Summer Lightning” sorgt direkt danach mit leichteren und melancholischen Untertönen für die dringend notwendige Entspannung nach dem emotionalen Par-Force-Ritt. “Instinct” wartet dagegen wieder mit einem vertrackten Arrangement auf, das ich in dieser Form ehrlicherweise noch nie gehört habe. Unto Others sind in der heutigen Musikszene einfach einzigartig! Das Titel- und Abschluss-Stück “Strength” fasst – im wahrsten Wortsinne – alle Stärken der Band noch einmal zusammen und wartet mit einem mitreißenden Finale auf.

46 Minuten vergehen wie im Flug

Mir bleibt nach 46 unglaublich intensiven Minuten, die wie im Flug vergingen, nur festzustellen, dass Unto Others genau das gehalten haben, was sie mit ihrem Albumtitel versprochen haben: “Strength” ist ein verdammt starkes Stück Gothic-Metal und eines der besten Werke in diesem an Highlights ohnehin nicht armen Musikjahr.

Einziger Wunsch, der für mich noch unerfüllt bleibt: Die Band mal live auf der Bühne zu sehen. Dafür werde ich mich noch rund ein Jahr gedulden müssen. Die Termine im Rahmen der “European Siege”-Tour mit Arch Enemy, Carcass und Behemoth wurden auf Oktober 2022 verschoben. Fünfmal kommen Unto Others dann auch nach Deutschland, unter anderem auch nach Düsseldorf.


Hier die Tour-Termine:

14.10.2022: Berlin, Columbiahalle
26.10.2022: Frankfurt, Jahrhunderthalle
28.10.2022: Munich, Zenith
29.10.2022: Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
30.10.2022: Hamburg, edel-optics.de Arena

Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️ ⭐️⭐️ (11 von 12 Punkten)

Album: Unto Others – Strength (2021)
Laufzeit: 46:26 Min.
Label: Roadrunner Records
Format: Digital, CD, Vinyl

Trackliste:

  1. Heroin 3:41
  2. Downtown 3:15
  3. When Will Gods Work Be Done 4:07
  4. No Children Laughing Now 3:43
  5. Destiny 3:41
  6. Little Bird 3:52
  7. Why 2:46
  8. Just A Matter Of Time 3:56
  9. Hell Is For Children 4:53
  10. Summer Lightning 4:44
  11. Instinct 3:44
  12. Strength 4:00

Unto Others im Internet:
Webseite
Bandcamp
Facebook
Instagram
Twitter
Spotify
Apple Music
YouTube

Artikel teilen
Oliver
Oliver

Ich wurde 1971 geboren – dem Jahr von #4 von Led Zeppelin, Blue von Joni Mitchell, Meddle von Pink Floyd und Master Of Reality von Black Sabbath. Und so unterschiedlich die Stile dieser klassischen Alben sind, so unterschiedlich ist auch mein Musikgeschmack. Hier gibt es mehr Infos über mich

Artikel: 131

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert