Marillions “Fugazi” bald in der Deluxe-Version erhältlich

Die Deluxe-Editionen der Fish-Jahre von Marillion sind bald komplett. Am 10. September erscheint die Neuauflage des zweiten Albums der Briten, Fugazi aus dem Jahr 1984.

Die Scheibe ist irgendwie das “hässliche Entlein” in der Band-Diskografie, lag es doch genau zwischen Debüt (Script For A Jester’s Tear/1983) und Durchbruch (Misplaced Childhood/1985). Und für die Marillion-Fans der ersten Stunde, für die nur die Zeit mit Fish zählt, gibt es sowieso nur einen wahren Klassiker: Clutching At Straws, das letzte Werk mit dem charismatischen Schotten am Mikro, der mittlerweile auch seine lange Solo-Karriere beendet hat.

Fishs exaltierte Texte stechen heraus

Ich würde Album #4 ebenfalls als den kreativen Höhepunkt der Neo-Progger bezeichnen, finde aber auch Fugazi klasse. Das zweite Album war nämlich das erste, das ich von Marillion überhaupt gehört habe. 1984 – lang, lang ist’s her – haben mich zuerst das Cover von Mark Wilkinson und dann die exaltierten Texte von Derek W. Dick – alias Fish – fasziniert. Heutzutage erinnern sie mich an die düsteren Visionen von Peter Hammill. Wie dieser Text-Ausschnitt hier aus dem Titelstück.

“While his generation digests high fibre ignorance
Cowering behind curtains and the taped up painted windows
Decriminalised genocide, provided door to door Belsens
Pandora’s box of holocausts gracefully cruising satellite infested heavens

Waiting, the season of the button, the penultimate migration
Radioactive perfumes, for the fashionably, for the terminally insane, insane”

FUGAZI (1984) – TEXT VON Derek W. Dick (Fish)

Natürlich gibt es auch gute Gründe, Fugazi nicht zu mögen. Dem Album merkt man den großen Druck an, unter dem die Gruppe damals stand. Die Plattenfirma EMI wollte so schnell wie möglich einen Nachfolger des Erstlings haben, am besten mit einer Single, die auch in den Charts landen konnte.

Das war dann “Punch & Judy”, und trotz des durchaus interessanten Textes über eine Beziehung, in der ausnahmsweise mal der Mann von seiner Partnerin regelrecht terrorisiert wird, ist der Song doch ziemlich belanglos. “Jigsaw” dagegen ist vor allem im Refrain gefährlich nah am Kitsch. Insgesamt also zwei Stücke, die man geskippt hätte, wenn es 1984 schon CD-Player oder Streaming-Dienste gegeben hätte.

Fugazi-Produktion war 1984 enttäuschend

Auf der Schallplatte aber ertrug man die Ausfälle notgedrungen und ärgerte sich stattdessen über die schlechte Produktion vom Nick Tauber. Dem Bass fehlt jegliche Natürlichkeit, die hohen Töne zerren am Gehörorgan. Kurzum: Der Platte ist zu jeder Zeit anzumerken, in welch kurzer Studiozeit sie entstanden ist.

MARILLION. FUGAZI. LIVE. 1984.PERFORMANCE

Deswegen bin ich sehr gespannt, ob die Neuauflage die technischen Fehler des Originals ausmerzen kann. Denn kompositorisch war die Scheibe bis auf die zwei erwähnten Lieder voll auf der Höhe, wie etwa der giftige Opener “Assassing” beweist oder auch das achteinhalb minütige “Incubus”, das dem genialen Titelsong in Sachen lyrischer Qualität in nichts nachsteht.

Bluray enthält Live-Mitschnitt und Fugazi-Doku

Die Deluxe-Edition von Fugazi wird als 4LP – oder 3CD-/Bluray-Version mit viel Bonus-Material veröffentlicht, unter anderem einem bisher unveröffentlichten Live-Mitschnitt vom 20. Juni 1984 im Spectrum in Montreal/Kanada. Auf der Bluray gibt es neben dem neuen Stereo-Mix und einer Dokumentation über die abenteuerliche Entstehungsgeschichte auch eine 5.1-Version. Hier wird es interessant zu hören, was die Tontechniker aus den alten Masterbändern noch herausholen konnten. Die “Script”-Edition war in Sachen Surroundsound eine kleine Enttäuschung, wohingegen die anderen beiden Alben der Fish-Jahre in der neuen Mehrkanalabmischung auf ganzer Linie überzeugen konnten.

An den weiteren Veröffentlichungen der Band nach Fishs Abgang 1989 habe ich nach und nach das Interesse verloren. “Seasons End” (1990) mit dem damals neuen Sänger Steve Hogarth war noch stark, da die Kompositionen zum Großteil noch aus der Fish-Zeit stammten. Danach war es leider nicht mehr die Band, die ich in den 1980er Jahren kennen und lieben gelernt hatte. Die Ausnahme: Das geniale Konzeptalbum “Brave” (1997), das in einer Deluxe-Version ebenfalls einen tollen 5.1-Mix verpasst bekommen hat. Unbedingt reinhören!

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Oliver
Oliver

Ich wurde 1971 geboren – dem Jahr von #4 von Led Zeppelin, Blue von Joni Mitchell, Meddle von Pink Floyd und Master Of Reality von Black Sabbath. Und so unterschiedlich die Stile dieser klassischen Alben sind, so unterschiedlich ist auch mein Musikgeschmack. Hier gibt es mehr Infos über mich

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